Wir lesen vor
Diese Geschichte passiert vor langer Zeit.
Wer damals Kind
war,
der ist heute alt.
Die meisten Erwachsenen von damals
sind inzwischen gestorben.
Die Geschichte passiert in Frankreich.
Die Geschichte passiert
im Zweiten Welt·krieg.
Deutschland hat zu dieser Zeit
Frankreich besetzt.
Das bedeutet:
Deutschland bestimmt die
Politik in Frankreich.
Deutschland bestimmt die Gesetze in
Frankreich.
Deutschland hat die Macht.
Pjär
Es geht um Pjär.
Pjär war damals 19 Jahre alt.
Pjär wird richtig anders geschrieben.
Nämlich so:
Pierre.
Denn Pierre ist ein französischer Name.
Dies ist die Geschichte von Pjär und dem gelben Stern.
Und Pjär
schreibt man richtig: Pierre.
Holz wird warm
Pierre arbeitet in einer Tischlerei.
Pierre baut Stühle und
Tische.
Und Türen und Rahmen für Fenster.
Alles aus Holz.
Pierre liebt Holz.
Holz wird warm,
wenn man die Hand
drauf·legt.
Pierre liebt seine Arbeit.
Er freut sich jeden Tag,
dass er
in der Werkstatt arbeiten kann.
Auf der Straße
Pierre geht zur Arbeit. Eine Frau kommt ihm entgegen.
Die Frau hält ihre Hand·tasche sehr weit oben.
Das sieht merkwürdig aus.
Pierre sieht die Frau an.
Aber die Frau sieht auf den Boden.
Sie
geht sehr schnell.
Pierre wundert sich.
Aber bei der Arbeit vergisst er die Frau
wieder.
Am nächsten Tag
Pierre ist wieder auf dem Weg zur Arbeit.
Die Frau kommt ihm
wieder entgegen.
Sie hält ihre Tasche wieder sehr weit
oben.
Die Frau geht wieder sehr schnell.
Sie sieht wieder
auf den Boden.
Pierre möchte ihr Gesicht sehen.
Er sagt: „Hallo.“
Die
Frau sieht ganz kurz hoch.
Die Frau sieht Pierre ganz kurz in
die Augen.
Dann geht sie sehr schnell weiter.
Pierre konnte sehen,
dass die Frau Angst hat.
Am über·nächsten Tag
Pierre ist wieder auf dem Weg zur Arbeit.
Die Frau kommt ihm
wieder entgegen.
Sie hält ihre Tasche wieder sehr weit oben.
Da passiert es.
Ein Polizist geht zu der Frau.
Er
schreit die Frau an.
Der Polizist schreit sehr laut.
Dann
nimmt er die Tasche weg
und schmeißt sie auf die Straße.
Jetzt können es alle sehen:
Die Frau hat einen großen, gelben
Stern auf ihrem Mantel.
Der gelbe Stern
In dieser Zeit müssen alle Juden einen gelben Stern tragen.
Alle
Juden und Jüdinnen müssen den Stern tragen.
Egal wie alt sie sind.
Jeder muss den gelben Stern gut sehen können.
Deshalb darf die Frau ihre Tasche nicht davor·halten.
So
ist das Gesetz in dieser Zeit.
Dieses Gesetz ist von den Deutschen.
Aber auch der französische
Polizist findet das Gesetz gut.
Deshalb hat der Polizist die
Frau so schlecht behandelt.
Pierre fühlt sich ganz schlecht.
Aber er weiß nicht,
was
er machen soll.
Pierre geht erst mal zur Arbeit.
Pierre schläft nicht
Pierre kann die ganze Nacht nicht schlafen.
Pierre hat ein
schlechtes Gewissen.
Denn er weiß schon lange,
dass Juden
in Deutschland verfolgt werden.
Und Pierre weiß,
dass
Juden auch in Frankreich in Gefahr sind.
Aber Pierre hat sich nicht darum gekümmert.
Das tut ihm jetzt
leid.
Pierre muss immer an die Frau denken.
Die Frau hatte so viel
Angst.
Pierre tut etwas
Am nächsten Tag geht Pierre in ein Geschäft.
Das Geschäft verkauft Papier.
Pierre
kauft ein Blatt dickes, gelbes Papier.
Dann malt Pierre einen Stern auf das Papier.
Pierre schneidet
den Stern aus.
Dann näht er den Stern an seinen Mantel.
– Ende der Geschichte –
Hallo lieber Leser,
hallo liebe Leserin,
Ich bin die Autorin von dieser Geschichte.
Ich habe mir die
Geschichte ausgedacht
und aufgeschrieben.
Diese Geschichte spielt vor langer Zeit.
Ich weiß nicht,
ob
die Geschichte so passiert ist.
Ich weiß nicht,
ob Pierre
gelebt hat.
Aber ich weiß:
Es haben Menschen gelebt,
die haben sich einen gelben Stern aus
Papier
an den Mantel genäht.
Ich weiß das,
weil ich in einem Museum war.
Dort habe ich
ein Foto von einem gelben Stern aus Papier gesehen.
Und ich habe
die Erklärung dazu gelesen.
Das Museum heißt:
Haus der
Wannsee-Konferenz.
Das Haus der Wannsee-Konferenz ist in Berlin.
In diesem Haus
haben Menschen besprochen,
wie sie andere Menschen ermorden
können.
Das war im Jahr 1942.
Die Mörder waren Nazis.
Die Opfer waren Juden und Jüdinnen.
Tatsächlich haben die Nazis und ihre Helfer
sehr, sehr viele
Menschen ermordet.
Sie waren dabei sehr grausam.
Wenn ich daran denke,
dann werde ich wütend.
Und ich werde
traurig.
Und manchmal werde ich mut·los.
Genau dann helfen Geschichten
wie die mit dem gelben Stern aus
Papier.
In dem Museum waren noch andere Beispiele.
Die Beispiele
zeigen:
Jeder Mensch entscheidet selber,
wie er sich
verhält.
Es ist immer möglich,
das Richtige zu tun.
Ein Polizist:
Leute haben auf der Straße eine jüdische Familie angegriffen.
Ein
Polizist hat der Familie geholfen.
Er hat die Familie
beschützt.
Dieser Polizist hat einfach seine Arbeit gemacht.
Ein Priester:
Wenn jüdische Familien ihre Wohnung verlassen mussten,
dann
haben die Nachbarn sich oft die Sachen genommen.
Manchmal haben
die Nachbarn die Sachen billig gekauft.
Manchmal haben sie die
Sachen geklaut.
Aber dieser Priester war anders.
Er hat zu seiner Gemeinde
gesagt:
„Wenn ihr den Juden die Sachen wegnehmt,
dann
schmeiß ich euch aus der Kirche!“
Eine Nachbarin:
Wenn jüdische Familien ihre Wohnung verlassen mussten,
dann
sind sie meistens mit Lastwagen abgeholt worden.
Einige Nachbarn
haben heimlich zugesehen.
Sie standen hinter der Gardine.
Einige
Nachbarn haben sich aus dem Fenster gelehnt
und zugesehen.
Aber diese Nachbarin war anders.
Sie ist rausgegangen.
Sie konnte nicht verhindern,
dass ihre jüdischen Nachbarn ins Lager kommen.
Aber diese Frau hat sich normal verhalten:
Sie hat ihre Nachbarn zum Abschied umarmt.