Wir lesen vor
Dies ist ein Brief an Dich.
Mein Brief an Dich.
Dies ist
ein Liebesbrief.
Ein Brief, den man nur schreiben kann,
wenn
einen die Liebe ausfüllt.
Und weißt Du was?
Mich füllt die Liebe aus.
Jeden Tag.
Jeden Augenblick.
Sie pumpt das Glück tief in mich.
Sie
pumpt es überall hin.
Jede Zelle ist voll Glück.
Aber die
Liebe macht und macht weiter.
Sie pumpt Glück und Glück in
mich.
So lange bis es weh tut.
Da liegst Du nun endlich vor mir.
Hast Dich getraut, mich zu
lieben.
Mich auch körperlich zu lieben.
Dich mir
hinzugeben.
Freigestrampelt hast Du Dich.
Du lächelst im
Schlaf.
Nackt liegst Du und ich betrachte Dich.
Ich sehe hin und meine
Haut erinnert sich an Deine.
Ich sehe hin und ich will Dich und
Dich und Dich.
Die Liebe pumpt und pumpt Glück in mich.
Und ich muss weinen.
Dies war meine letzte Nacht mit Dir.
Meine
erste und meine letzte Liebesnacht mit Dir.
Denn andere
entscheiden über mein Leben.
Sie wollen, dass ich weggehe von
Dir.
Sie gönnen mir nur das Glück,
dass sie für mich
vorgesehen haben.
Ich weine.
Du schläfst.
Und ich sehe Dich an.
Obwohl
es richtig wäre, wegzusehen.
Denn nichts ist so persönlich wie
schlafen.
Ich sehe Dich an.
Ich pumpe Bilder von Dir in meinen
Körper.
Rein in den Schmerz der Liebe.
Rein in das Glück
der Liebe.
Rein in die Angst zu vergessen, wie Du aussiehst.
Nur einmal noch neben Dir liegen.
Haut an Haut.
Nur einmal
noch lachen mit Dir.
Bis die Luft knapp wird und die Tränen
fließen.
Nur einmal noch auf Dir liegen.
Explodieren mit
Dir.
Dich beim Lesen beobachten.
Wie Du samt Brille im Text
verschwindest.
Dich wild und zärtlich küssen.
Dir nach
dem Bad das Handtuch reichen.
Alles in mir brennt nach Dir.
Tag um Tag will ich bei Dir
sein.
Will hören, wie es Dir erging.
Will sagen, wie es
mir erging.
Nacht um Nacht will ich bei Dir sein.
Will
Deine Leidenschaft.
Will Dich altern sehen.
Und doch gehe
ich weg von Dir.
Denn niemand ist bereit für unsere Liebe.
Meine Eltern?
Wollen
jemand Nettes aus der Werkstatt.
Deine Kollegen aus der
Uni?
Finden, das geht zu weit.
Die Leute aus der
Wohngruppe?
Wissen, ich bin zu blöd das einschätzen.
Deine
Studenten?
Lachen uns aus.
Auch Dich, meine Liebste, auch
Dich!
Du hast sie doch gesehen.
Sie sind bewaffnet bis an die
Zähne.
Bewaffnet mit Sorge und mit Fürsorge und mit
Besserwissen.
Jetzt nach dieser wunderbaren Nacht,
werden
sie erst recht loslegen.
Also gehe ich weg von Dir. Bitte
verzeih.
Da liegst Du nun endlich vor mir.
Nackt und warm und weich.
Hast
Dich getraut, mich zu lieben.
Dich mir
hinzugeben.
Freigestrampelt hast Du Dich.
Du lächelst im
Schlaf.
Offen bist Du und verletzlich und schutzlos.
Offen bin ich und
verletzlich und schutzlos.
Irgendwann müssen wir wieder raus.
Raus aus dieser
Wohnung.
Raus aus diesem warmen Zimmer.
Wir müssen uns
anziehen.
Wir müssen raus in die Welt.
In die Welt, die
alles besser weiß.
In eine Welt, die weiß, was sich
gehört.
Wie sollen wir uns warm genug anziehen,
um dem
gewachsen zu sein?
Und nun?
Danke ich Dir, dass Du mich in Dein Leben gelassen
hast.
Danke, dass Du Dich getraut hast.
Danke, für die
Liebe und den Schmerz und das Glück.
Und ich sehe Dich an.
Ich sehe Dein Lächeln aus unserer ersten
Nacht.
Ich sehe Deine Rundungen und Deine Liebe.
Ich sehe
Deinen Mut und Deinen Stolz.
Ich sehe Dich.
Und ich fülle mein Herz mit Glück.
Und ich tauche ein in
Dich.
Und ich liebe Dich.
Morgen werde ich weg sein.
Morgen holen sie mich ab.
Ich
ziehe in eine neue Wohngruppe.
Weit weg von Dir.
An einen
unbekannten Ort.
Und ich kann es nur erdulden.
Und du
kannst es nur hinnehmen.
Denn die Welt ist bis an die Zähne
bewaffnet.
Bewaffnet mit Sorge und mit Fürsorge.
Und mit
Besserwissen.
Leb wohl, mein Herz.